Freundschaft?

Dienstag,3.September2013 von

ES IST NEUERDINGS viel von Freundschaft die Rede, wenn deutsche und tschechische Politiker aufeinander treffen. Beim diesjährigen Sudetendeutschen Tag konstatierte auch Ministerpräsident Horst Seehofer geradezu euphorisch: „In Bayern und Tschechien hat eine neue Ära der Freundschaft begonnen.“

WAS MACHT eigentlich eine Freundschaft aus? Ein wesentlicher Stützpfeiler einer jeden richtigen und ehrlichen Freundschaft ist wohl Offenheit. Freunde können miteinander offen reden und einander auch sagen, was die Freundschaft unter Umständen stört. Freunde sind nicht beleidigt oder kündigen gar die Freundschaft auf, wenn sie einander auch einmal weniger Angenehmes ins Gesicht sagen. Nur die falsche, die oberflächliche Freundschaft hält solche Belastungen, deren Bewältigung eine echte Freundschaft sogar noch vertiefen kann, nicht aus.

NUN IST ES SO, dass in der Politik die oberflächliche Version von Freundschaft weitverbreitet ist. Für manche ist die Freundschaft auch ein Selbstzweck, der sich als politischer Erfolg verkaufen lässt Sie ist dann nicht mehr als eine Potemkinsche Fassade, die beim leisesten Windhauch vom Einsturz bedroht wird. Die deutsch-tschechische Freundschaft – zumindest diese offizielle Version auf Landes- und Bundesebene – scheint so eine zu sein. Denn nur so ist zu erklären, dass die deutsche Bundesregierung einem sudetendeutschen Staatsbürgerjegliche Unterstützung in seinem Bemühen um eine Rehabilitierung versagt. Man beachte: In diesem konkreten Fall fordert jemand ausdrücklich nicht die Aufhebung der Beneš-Dekrete oder sein 1945 gestohlenes Eigentum zurück. Nein, dieser Mann möchte an seinem Lebensabend ganz einfach seine Ehre wiederhergestellt sehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ist das ein unbilliges Verlangen? Wohl kaum. Tschechien sollte es als Mitglied der europäischen Werte- und Rechtsgemeinschaft nicht schwerfallen, einem bei Kriegsende dreizehn Jahre alt gewesenen Sudetendeutschen ohne langes Verfahren zu bescheinigen, dass er sich seinerzeit nichts zu Schulden kommen lassen hat und daher in vollem Umfang zu rehabilitieren ist Das geht aber nicht, weil die entsprechende gesetzliche Grundlage fehlt.

DAS WÄRE DOCH eine wunderbare Gelegenheit für einen Freundschaftsbeweis, der umso mehr angebracht wäre, als Tschechien inzwischen ja einen Mann an der Staatsspitze hat, der die Sudetendeutschen ziemlich undifferenziert als Hitler-Fanatiker verunglimpft und die Vertreibung geradezu für eine Wohltat hält. Da bisher noch keine tschechische Regierung auf die Idee gekommen ist, ein Rehabilitierungsgesetz zu machen, das auch für Sudetendeutsche gilt, wäre es doch unter echten Freunden sicher möglich gewesen, einmal von deutscher Seite in dieser Causa anzuklopfen.

DAS GESCHIEHT ABER NICHT. Und zwar deshalb, weil Berlin fürchtet, dass die Tschechen dann sauer sein könnten und die wunderbare Freundschaft aufkündigen könnten. Das Auswärtige Amt in Berlin offenbart in einem – wohl nicht für die Öffentlichkeit bestimmten, nun aber doch an diese gelangten – Schreiben mit entlarvender Ehrlichkeit das vertriebenenpolitische Prinzip der Selbstverleugnung: Man tritt nicht ein für etwas, was man für richtig hält. Sprich: Man erkennt zwar durchaus das Berechtigt sein von sudetendeutschen Anliegen an, vertritt diese aber nicht, weil sich die tschechische Seite desavouiert fühlen würde. Das Verhindern eines möglicherweise eintretenden diplomatischen Schadens wird als höheres Gut eingestuft als Recht und Gerechtigkeit.

MAN IST NICHT überrascht, dass es so ist. Denn wer die Vertriebenenpolitik in den vergangenen Jahren verfolgt hat, wusste auch ohne diesen Brief aus dem Außenamt Bescheid. Nun aber haben es die Vertriebenen Schwarz auf Weiß, dass sie sich brausen gehen können.

FREUNDSCHAFT?

(Dieser Kommentar von Manfred Maurer erschien in der Sudetenpost Folge 8 vom 8.August  2013.)

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